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Wieder ein freier Mann - Neuer Start im Westen

 

Gleich fuhr er nach Mannheim zu seiner Schwägerin Charlotte, von der er die Anschrift wußte. Von ihr erfuhr er dann die Anschrift seiner Frau und seines Sohnes in Abtsgmünd/Kreis Aalen. Nun gab es für ihn kein Halten mehr. Und dann kam er eines Tages (20. Januar 1950?) gegen 17.45 h in Abtsgmünd-Neuschmiede an. Im Dunkeln der Haustür konnte er nach fünf Jahren und sieben Monaten der Trennung endlich wieder seine Frau Hildegard und seinen Sohn Lothar in die Arme nehmen. Die Hölle von Sibirien lag hinter ihm. Von Abtsgmünd aus schrieb er dann auch gleich einen Brief an seinen Vater Robert in Krawarn (Oberschlesien). Doch dieser erfuhr nichts mehr von der glücklichen Heimkehr seines Sohnes aus russischer Gefangenschaft. Er war am 17. Januar 1950 gestorben (51).

 

Wenige Tage nach der Ankunft in Abtsgmünd wurde der 'Spätheimkehrer Otto Sobina' (52) offiziell begrüßt und ihm vom Gesangsverein ein Ständchen dargebracht. Aber Otto Sobina wollte sich nicht auf Dauer mit einer Tagesunterstützung von 2,50 DM begnügen. Er wollte wieder Beamter werden. Also fuhr er zurück nach Mannheim, und mit Unterstützung seines Schwagers, Gert Krause, der damals gerade Refrendar beim Hauptzollamt in Mannheim war, wurde er von der Oberfinanzdirektion Karlsruhe am 23. März 1950 wieder als Zöllner eingestellt. Kaum aber im regulären Dienst, nahm er sich zu Ostern gleich Feiertagsurlaub und fuhr erneut nach Abtsgmünd. Zu Pfingsten erhielt Otto Sobina sein erstes Gehalt. Davon kaufte er sich einen grauen Anzug, und sein Sohn erhielt die lang gewünschte Lederhose. Nach den Jahren der Entbehrung ließ dann jedes bescheidene Gehalt den lebensbejahenden Optimismus steigen. Am 10.10.1950 wurde er dann aufgrund seiner langen Beamtenzeit zum 'Zollsekretär' ernannt (53).

 

Natürlich holte er seine Familie zum 01. November 1950 nach Mannheim, wo er in der Mittelstraße 22, in der Nähe der alten Feuerwache, ein möbliertes Zimmer bei der "alten Kärgeln" gemietet hatte. Es war zwar alles sehr beengt, gebadet werden mußte in einem Zuber in der Küche, aber nun hatte Otto Sobina wieder seine Familie beisammen.

Zum 01. Februar 1951 konnte man dann auch in eine kleine Wohnung in S 2, 1 im vierten Stock umziehen, die für damalige Verhältnisse schon recht großzügig war: Flur, Schlafzimmer, Küche, Wohnzimmer, Bad mit Toilette, und es gab auch einen kleinen Balkon, auf dem die Familie im Sommer sonntags entspannte.

 

Am 12. April 1951 kam Tochter Ingrid im Städtischen Krankenhaus am Neckarufer zur Welt.

 

Zusammen mit seiner Frau wagte er einen Neuanfang aus dem totalen Nichts heraus (54,55). Die Folgejahre waren geprägt von spartanischer Sparsamkeit (das Netto-Monatsgehalt im März 1956 betrug 543,58 DM) (56), die manchmal sogar unvorstellbare Blüten trieb. Als kleines Kind hatte Tochter Ingrid einmal eine Art Forunkel in der Gesäßfalte. Ingrid wurde auf den Küchentisch gelegt, und mit der Glut einer Zigarettenkippe wurde das Forunkel ausgebrannt. Ein andermal plagten ihn starke Zahnschmerzen. Er stellte einen Frisierspiegel auf den Küchentisch, nahm ein paar gute Schluck Rum ... und zog sich den Backenzahn mit einer Kombizange raus. Alles wurde zudem noch überschattet von der starken Zuckerkrankheit seiner Frau.   Ein Sprichwort sagt: 'Wer Sorgen hat, hat auch Likör!'. Für Otto Sobina mußte es nicht unbedingt Likör sein, um seine Sorgen zu ertränken. Manchmal war seine Reizschwelle auch schnell überschritten, dann tanzte der Rohrstock, der meist griffbereit auf dem Küchenschrank lag, kräftig durch die Luft. Am 24. Januar 1957 wurde ihm die Ernennungsurkunde zum "Oberzollsekretär" ausgehändigt, und das Netto-Gehalt wuchs auf 645,35 DM.

 

Obwohl man mit den bescheidenen Geldmitteln keine großen Sprünge machen konnte, wurde dennoch der Bau eines Eigenheimes in Angriff genommen, in das er mit seiner Familie im Mai 1960 einziehen konnte (57). Die neue Anschrift hieß nun: Mannheim-Rheinau, Fronäckerstr. 58.  Nebenher wurde dem Sohn ein Studium und der Tochter eine Ausbildung ermöglicht. Mit Wirkung vom 01. Juli 1964 wurde Otto Sobina zum 'Zollhauptsekretär' ernannt und stieg in die Beamten-Besoldungsstufe A 8 auf. Die letzte Stufe seiner beruflichen Laufbahn vom einfachen Schmiede-Lehrling in Krawarn zum Zollbeamten in Mannheim-Rheinau erreichte er am 02. November 1967, als ihm die Ernennung zum 'Zollbetriebsinspektor' ausgehändigt wurde (Besoldungsgruppe A9) (58,59).

 

Im Oktober 1972 konnte er nach Erreichen der Altersgrenze in den wohlverdienten "Ruhestand" gehen (60).

 

Otto Sobina konnte es sich nie leisten, richtigen Urlaub in heutigem Sinne zu machen. Seine Auslandsaufenthalte waren kriegsbedingt und somit im allgemeinen wenig erfreulich. Nachkriegs-Urlaub bedeutete einige Wochen 'weg sein' von Mannheim. Zum Beispiel Urlaub in Abtsgmünd (61), wo er mit seiner Familie von seiner Schwester Luzie immer wieder gern aufgenommen wurde. Ausgeruht hat er sich aber auch dort nicht, er fand immer eine Arbeit oder eine Möglichkeit zu helfen. Und abends konnte er mit Schwager Otto Klose bei einigen Bierchen und Schnäpschen ausführlich alle Probleme dieser Welt diskutieren (62). Oder es war mal eine oder zwei Wochen bei seiner Schwägerin Charlotte Krause in Offenburg. Auch dort machte er sich nützlich, und war es auch nur das gründliche Putzen der Ofenrohre. Ansonsten gab es nur Ausflüge auf die Neckar-Wiesen (63) oder in den Luisen-Park, wo man sich Liegestühle mieten und Picknick machen konnte.

 

Als Erinnerung an die russische Kriegsgefangenschaft hatte er sich ein Lungenleiden mitgebracht, das ihn zusammen mit anderen Kriegsfolgeschäden zu einem monatelangen Genesungsaufenthalt in den Schwarzwald nach Kandern brachte (Anfang 1977), den er aber auch nicht richtig genießen konnte, fehlte ihm doch seine Familie.

Otto Sobina war nämlich in seinem Herzen weich, gutmütig, aufopfernd, konnte dies aber meist nicht nach außen zeigen. Für Außenstehende wirkten so seine kritischen Äußerungen und Anmerkungen, auch wenn sie berechtigt waren, oft unangemessen, manchmal sogar verletzend. Dieser Hang zur 'Bruddelei' verstärkte sich mit zunehmendem Alter.

 

Im Januar 1974 zog er mit seiner Frau in eine Mietwohnung in der Fronäckerstr. 40, um somit seiner Tochter Ingrid mit Mann das Eigenheim in der Fronäckerstr. 58 zu überlassen.

Die Geburt seines Enkels Michael (28.06.1977) gab ihm nochmals eine neue Aufgabe, der er sich gerne widmete.

 

Am 31. Januar 1983 starb seine Ehefrau Hildegard. Damit hatte Otto Sobina seine wohl wichtigste Triebfeder verloren. Otto Sobina wurde im Sternkreiszeichen der 'Jungfrau' geboren. Diesen 'Jungfrau-Geborenen' sagt man im allgemeinen nach, daß sie ihren sehr weichen Kern durch eine harte, rauhe Schale schützen wollen. So heulte er auch nicht herzzerreißend am Grabe seiner Frau, es liefen ihm nur die Tränen die Backen hinunter und leise sagte er: "Mein Mädchen, warum hast du mich jetzt verlassen?" Immer häufiger bewegten ihn danach am Grabe seiner Frau die Gedanken von seiner eigenen , letzten "Heimkehr". Vermutlich hinterließ der Tod seiner Frau bei Otto Sobina eine Leere, die er aus eigener Kraft nicht mehr ausfüllen konnte; zeitweise konnte er durchaus wie gewohnt sprechen und handeln, zunehmend kam es aber zu Ausfällen und verwirrten Äußerungen und Handlungen, die den Angehörigen ernste Sorgen bereiteten. Während eines Krankenhausaufenthaltes wurde den Angehörigen dringend empfohlen, sich um einen Heimplatz zu kümmern. Mit Hilfe des Nachbarn Gethöffer fand man für den Katholiken Otto Sobina einen Platz in einem evangelischen Altersheim. Angesichts des allgemeinen Mangels solcher Plätze mußten sich die Angehörigen kurzfristig entscheiden.  Seit 29. Dezember 1983 wohnte Otto Sobina im Thomasheim in Mannheim-Neuhermsheim, wie zum Trost wenigstens im "Reiterweg" (64)! Dort ging es ihm mit einer verfügbaren Netto-Monatspension von 2.118,66 DM und einer zusätzlichen kleinen Rente für die erlittenen Kriegsschäden standesgemäß gut (65), er wurde auch regelmäßig von seiner Tochter umsorgt und hin und wieder auch von seinem Sohn besucht, aber ohne seine Frau fehlte ihm doch der ernsthafte Wille zum Weitermachen.

 

Am Pfingstsonntag 1986 konnte er, wenn auch teilweise nur telefonisch, mit vielen seiner Lieben sprechen. Am Pfingstmontag, 19.05.1986, aß er im Altersheim noch wie üblich zu Mittag, fühlte sich dann aber nicht recht wohl und wurde sicherheitshalber in's Theresienkrankenhaus gebracht. Tochter Ingrid wurde davon unterrichtet.

Wegen der gedunsenen Beine wurde er zunächst auf Nierenversagen behandelt. Er wurde an den 'Tropf' gehängt. Er scherzte noch mit den Krankenschwestern und bedauerte, daß sie seinetwegen am Feiertag so viel Arbeit hätten. Doch dann stellte sich plötzlich ein Herzversagen ein, und der Versuch, mit einem Herzschrittmacher das strapazierte Herz wieder in Gang zu setzen, scheiterte.

Es kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß Otto Sobina, so wie er es sich immer selbst gewünscht hatte, gegen 15.30 Uhr sanft in den ewigen Schlaf hinübergleiten durfte.

 

Otto Sobina wurde am Freitag, 23. Mai 1986, auf dem Friedhof in Mannheim-Rheinau (Pfingstberg) dort beerdigt, wo seine geliebte Frau schon drei Jahre auf ihn wartete (66). Der katholische Geistliche sprach über "Abraham", seine Bodenständigkeit und seine Bereitschaft zum Aufbruch; er ging dabei erstaunerlicherweise sogar auf einige entscheidende Stationen im Leben des Verstorbenen ein. Zur Beerdigung sind erschienen: Seine Tochter Ingrid mit Sohn Michael und Mann Günther und dessen Eltern, sein Sohn Lothar mit Familie, seine Schwester Luzie mit Sohn Werner, seine Schwester Lore mit Mann und Tochter, seine Stiefschwester Resi mit Mann, seine Cousine Luzie Kowatz mit Mann und Kindern, seine Schwägerin Charlotte Krause mit Mann und einige Bekannte aus der Nachbarschaft und aus seiner Berufszeit. Um 18.30 Uhr fand für den Katholiken Otto das erste 'Seelenamt' in der St.Konrad-Kirche in Mannheim-Rheinau statt.

 

 

 

 

 

 

In der Bemühung um eine möglichst fehlerfreie Darstellung zusammengestellt und ausgearbeitet von seinem Sohn Lothar aufgrund vorliegender Unterlagen, Urkunden, Schilderungen und Notizen seines Vaters, seiner Mutter, seiner Schwester, naher und entfernter Verwandter und eigener Erinnerungen.

 

Rheinau/Baden, im Januar und Februar 1996

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